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Ein Projekt der Künstlernachlässe Mannheim.

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Elisabeth Bieneck-Roos

(1925-2017)

Industriemalerin

Überall wo etwas Technisches im Entstehen ist, wo Aktion ist, wo Technik in ihrer vielfältigen Erscheinungswelt zu sehen ist, findet mein künstlerisches Interesse Anknüpfungspunkte.

Elisabeth Bieneck-Roos

Als Industriemalerin – wie Elisabeth Bieneck-Roos sich selbst bezeichnete – sind Motive wie Baustellen, Brückenbauten, Industrieanlagen und technische Konstruktionen ganz zentrale Themen ihres Werkes.

Vor allem der Wiederaufbau des durch den Zweiten Weltkrieg stark zerstörten Mannheim ist für Bieneck-Roos ein Hoffnungsträger und wird ihr zum Zeichen des Fortschritts.

Mit diesen Arbeiten hält sie aber auch ein Stück Stadt- und Zeitgeschichte Mannheims fest.



Biografisches

Hier erfahren Sie mehr über die Jugend und das Leben von Elisabeth Bieneck-Roos.

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Suche nach dem eigenen Stil

In den 1950er -Jahren spielt die in ihrer Malerei die menschl­iche Figur eine große Rolle: Es ent­stehen figürliche Kompositionen, Porträts, Kinderbildnisse und Aktbilder.

Sie experimentiert mit Elementen des Kubismus, Futurismus, der Neuen Sachlichkeit und der Abstraktion.

Diese frühen Arbeiten zeigen: Die Malerin sucht ihren eigenen Stil.

Eine Tänzerin in einem schönen Kleid mit Perlenkette und Handschuhen bis zu den Ellenbogen. Ein Glas Sekt und eine Zigarette im Aschenbecher.

So inszeniert sich Elisabeth Bieneck-Roos in "Bild einer Tänzerin" 1957 selbst.

Diese Arbeit ist so ganz anders als ihre späteren Industriebilder und ein gutes Beispiel dafür, wie sie ihren Stil entwickelt hat.

Das Motiv ist aber auch ein Symbol für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, in der es den Deutschen langsam besser ging und man sich wieder freuen und das Leben genießen konnte.

Inspirations­quelle: Industriestadt Mannheim

Warum eigentlich Industriemalerin?

In der industriegeprägten Umgebung ihrer Wahlheimat Mannheim findet Bieneck-Roos neue Motive, etwa das Gelände der Häfen, die verschiedenen Firmen oder die Großbaustellen für den Wiederaufbau von Gebäuden und Brücken.

Die Formen und Strukturen, die sie dort findet, begeistern sie und verändern ihre Malerei grundsätzlich. Sie bezeichnet sich seitdem selbst als Industriemalerin.

In ihrer Anfangszeit in Mannheim erkundet Bieneck-Roos das Mannheimer und Ludwigshafener Hafengelände. In den klar gegliederten Formen der Kräne, Schiffe und Hafenanlagen sieht sie viele grafische Möglichkeiten. Ihre Eindrücke hält sie direkt vor Ort fest. Im Hafen beginnt ihre künstlerische Auseinandersetzung mit den Phänomenen der Technik.

1959 kommt es zu ersten Aufträgen für die Werkzeitung der BASF in Ludwigshafen. Sie bekommt zum ersten Mal Einblicke in die großindustrielle Arbeitswelt.

In den Folgejahren erhält sie die Möglichkeit zu weiteren Arbeitsaufenthalten in unter­schiedlichsten Firmen wie Thyssen, Daimler Benz oder ABB.

Mit Schutzhelm und Zeichenblock fertigt sie in den Werkshallen und an den Maschinen zahlreiche Zeichnungen an. Dabei legt sie großen Wert auf die Darstellung kleinster technischer Details.

Als Zeichenunterlage dienen ihr Klapptische, Rollwägen oder auch ihr Autoheck. Sie arbeitet auf Papier oder Karton in unter­schiedlichen Techniken wie Tusche, Grafit, Kreide, Pastellkreide, Bleistift, Kohle oder Farbstift.

Zentrales Thema: Brücken im Bau

Technisches Abenteuer, ungewöhnliche Farben, Einblicke in Bauwerke, die beim Voranschreiten der Konstruktionen sich wieder verschließen, das fasziniert mich. Das muss ich malen.“

Elisabeth Bieneck-Roos

Darstellungen von Brücken im Bau sind im Gesamtwerk von Bieneck-Roos ein zentrales Thema. Fasziniert von der Ingenieursleistung sieht sie in ihnen in erster Linie spannungsreiche Dynamik.

Brücken symbolisieren für sie aber auch die zwischen­menschliche Funktion der Verbindung und stehen für Begegnungen und Toleranz.



Neubau: Kurt-Schumacher-Brücke



Zwischen 1969 und 1972 entsteht zwischen Mannheim und Ludwigshafen eine zweite Brücke über den Rhein. Bieneck-Roos hält den Bau von der Mannheimer Seite aus in vielen Zeichnungen fest.

Wie kommt es zum Bau der Brücke?

Die Diskussion um eine zweite Rheinbrücke beginnt in der Region schon vor dem Ersten Weltkrieg. Die sogen. Rheinbrücke, heute Konrad-Adenauer-Brücke, ist dem schnell wachsenden Verkehr nicht mehr gewachsen.

1958 entstehen die ersten Planungsideen: Die Brücke soll die innerstädtischen Verkehrsknotenpunkte entlasten und den Verkehr aus den Zentren der beiden Städte an die Peripherie zu verschieben.

Die Bundesbahn verlegt 1962–1969 den ehemaligen Ludwigshafener Kopfbahnhof am Rheinufer auf den heutigen Standort, der alte Bahnhof wird abgerissen und 1969 beginnt der Bau der Kurt-Schumacher-Brücke.



Die Brücke besteht aus mehreren Teilbrücken: Von den Auffahrten am Mannheimer Brückenkopf gehen zwei Brücken über den Verbindungskanal und den Mühlauhafen. Erst dann kommt die eigentliche Brücke über den Rhein, ausgeführt als Schrägseilbrücke.

Am Ludwigshafener Brückenkopf, dem ehemaligen Gelände des Hauptbahnhofs, schließt sich ein großzügiges, mehrspuriges Straßensystem an.



Auf der Mannheimer Seite sind die Herausforderungen für den Bau der Zufahrten auf die Brücke aufgrund der sehr engen Platzverhältnisse am Luisenring enorm.



„[...] dass die Lage der Nordbrücken­zufahrten, welche unmittelbar auf das Herz Mannheims gerichtet sind, vom Grundsatz her nicht günstig sind, soll nicht verschwiegen werden.“

Baudezernent Wolfgang Borelli

Der Anschluss an das Straßennetz und der Neubau der Straßenbahn verändern das Stadtbild am Luisenring einschneidend.

Die Fotos vom Bau der Straßenbahn auf Mannheimer Seite zeigen diesen verkehrs­technischen Eingriff deutlich.

Auch die folgenden Fotos vom Bau der Brücke betonen die umfangreichen Bauarbeiten.



Die Bauarbeiten sind beeindruckend und man versteht die Faszination, die sie bei Bieneck-Roos ausgelöst haben.

Ihre Tuschezeichnung "Baustelle Kurt-Schumacher-Brücke, Mannheim-Ludwigshafen" von 1972 im Format 60 x 77 cm vermittelt ihren Blick auf den Bau der Brücke.

Die Kunsthistorikerin Ursula Dann spricht bei dieser Zeichnung von "augenartigen Strukturen" und einer "Verlebendigung" der dargestellten Brücken­konstruktion.



Alle Brückenbilder von Bieneck-Roos sind nach wiederkehrenden Gestaltungsprinzipien aufgebaut.

Die Brückenkonstruktionen im Bau sind meist in einer Untersicht gezeigt. Oftmals ragen die Konstruktionen in das Bild hinein oder kommen auf den Betrachter zu.





Der Kunsthistoriker Martin Stather sieht in Bieneck-Roos‘ Bildern die Technik als Teil des Lebens, die sich für den Menschen als nützlich und nicht zerstörerisch erweist.

Im Fokus: Städtische Bauprojekte

Sobald es in Mannheim eine neue Baustelle gab, war ich dort.

Elisabeth Bieneck-Roos

Einen großen Teil ihrer Arbeit widmet Bieneck-Roos ab den 1970er-Jahren den Neubau­projekten der Stadt Mannheim.

Dabei erfasst sie die Neu­gestaltung von Architekturen wie das Collini-Center, das Hochhaus der Victoria-Versicherungen, den Erweiterungsbau der Mannheimer Kunsthalle oder den Neubau des Stadthauses in N 1.

Eine weitere Großbaustelle in Mannheim ist der Bau des Stadthauses auf N 1 von 1987–1981.

Das Quadrat N 1 mit dem Alten Kaufhaus wird 1943 bei einem Bombenangriff zerstört. Nach dem Krieg beginnt die Diskussion um den Wiederaufbau. Ein Wettbewerb 1961 zeichnet einen Entwurf aus, der die Zerstörung aller historischen Bauteile vorsieht.

1965 beginnt der Abbruch der Bauwerke auf N 1, 1967 werden die Bauarbeiten eingestellt. Beim Bürgerentscheid 1986 über den Wiederaufbau des Alten Kaufhaus oder einen Neubau werden trotz großer Beteiligung die nötigen 30 % für den historischen Wiederaufbau nicht erreicht.

Der damalige Oberbürgermeister Gerhard Widder gibt die Freigabe für die Realisierung des postmodernen Baus an den Mannheimer Architekten Karl Mutschler.



Elisabeth Bieneck-Roos fertigt mehrere Zeichnungen aus unterschiedlichen Perspektiven und Bauphasen an.

Ein Rhythmus aus Ruhe und Bewegung bestimmt die Zeichnungen, die während des Neubaus entstehen. Die Ruhe äußert sich durch die strengen Bildkompositionen.

Die Bilder sind durch senkrechte Strukturen geprägt. Im Gegensatz dazu steht die Dynamik und Bewegung der Baustelle, die durch Gelb-Rot Kontraste oder den gestischen Duktus dargestellt wird.



Elisabeth Bieneck-Roos' Zeichnungen "Neubau Stadthaus N 1" (1989), "Neubau Stadthaus N 1" (1988) und "Stadthaus im Bau" (1989 ), jeweils in Mischtechnik auf Papier.

Anhand von Fotografien aus der Bauzeit lässt sich erkennen, dass Bieneck-Roos großen Wert auf die Genauigkeit der Darstellung von Baustellendetails legt. Auch einzelne umliegende Gebäude lassen sich identifizieren.

Bei den Baustellenbildern des Stadthauses wählt sie einen erhöhten Standpunkt, da er ihr einen Überblick über die Baustelle gibt. Diesen gibt sie auch an den Betrachter weiter und lässt ihn so verstärkt am Geschehen teilhaben.

Elisabeth Bieneck-Roos interessiert sich für das Unfertige. In ihren Werken stellt sie den Entstehungsprozess von Bauwerken dar.





Im Fokus: Industrielle Arbeitswelt

Seit der Begegnung mit den großen Stahlwerken des Ruhrgebiets weiß ich, warum mich die Industrie so in ihren Bann schlägt:

Es ist die Anhäufung bizarrster Formen und Strukturen, extremster Gegen­sätze von hell und dunkel, heiß und kalt, schwer und leicht, Statik und Bewegung.“

Elisabeth Bieneck-Roos



Diese Bewegungen und Gegensätze zeigen sich auch in den Industriebildern von Bieneck-Roos.

1994 entsteht eine ganze Reihe Werke bei ABB Mannheim im Bereich Kraftwerksbau.

Die Arbeiten bei ABB fertigt sie an, kurz bevor der Kraftwerksbau geschlossen wird. Eine öffentliche Diskussion um die Schließung und die Streiks gegen den Abbau von mehreren Tausend Arbeitsplätzen liefern den Anstoß für Bieneck-Roos, sich mit der Produktion von Generatoren und Turbinen auseinanderzusetzen.

Eine dieser Arbeiten stellt einen großen Industriegenerator dar, der in der Werkshalle aufgestellt und gewickelt wird. Der monumentale Generator ruht auf dem Werkstückträger.





Seine enorme Größe wird durch die Präsentation des Arbeiters verdeutlicht. Dieser sitzt in der runden Öffnung und schlingt die Leitungen in die Generatorspulen ein. Auffällig ist hier die expressive Farbigkeit, die das Bild sehr lebendig wirken lässt.





Für Bieneck-Roos ist die Arbeitsweise vor Ort und der Austausch mit den Arbeitern sehr wichtig. Sie lässt sich auch die Maschinen und Arbeitsprozesse erläutern.





Zudem bildet sie sich stetig weiter, indem sie wissenschaftliche Publikationen und Zeitungen aus dem Bereich der Technik, Biologie, Chemie und Raumfahrt liest. Sie bildet nicht nur ab, was sie sieht, sondern versucht es auch nachzuvollziehen.

Von dem Streik, den Arbeiter­aufständen oder der bedrückten Stimmung ist in den ABB-Werken von Bieneck-Roos nichts zu spüren. Die Bilder drücken einzig ihre Faszination für Technik aus und stellen sie in den Vordergrund.

Elisabeth Bieneck-Roos malt bis ins hohe Alter. Immer wieder findet sie Inspirationsquellen in neuen Baustellen.

Mit ihren Werken hält sie ein Stück Mannheimer Wiederaufbau- und Baugeschichte fest und wird so zu einer Chronistin der städte­baulichen Entwicklung.

Sie zeigen den Wandel der Stadt, aber gleichzeitig machen die Arbeiten von Elisabeth Bieneck-Roos deutlich, dass sie die Stadt so malen will, wie sie ist, und sie keine perfekte Darstellung in Form eines schönen Postkartenmotivs sucht.







Impressum

Elisabeth Bieneck-Roos (1925-2017) - Industriemalerin ist ein Projekt der Künstlernachlässe Mannheim.

Herausgeber und Copyright: Künstlernachlässe Mannheim, 2024

Texte: Silvia Köhler, Annette Krämer

Redaktion: Sophia Denk, Silvia Köhler

Sprecher: elevenlabs.io

Umsetzung: Sophia Denk

Realisiert mit PAGEFLOW

Film- und Bildmaterial: Künstlernachlässe Mannheim, H.- J. Schröder, MARCHIVUM Mannheim NL Bieneck-Roos, Stadtarchiv Ludwigshafen, Hoppe-Studio, Düsseldorf-Benrath, Foto-Hauck und aus Privatbesitz.

Künstlernachlässe Mannheim, Waldparkstr. 28A, 68163 Mannheim gesetzlich vertreten durch Silvia Köhler

Telefon: 0151 287 07 629

E-Mail: info@kuenstlernachlaesse-mannheim.de

www.kuenstlernachlaesse-mannheim.de

Verantwortlich im Sinne des Rundfunkstaatsvertrags: Silvia Köhler, Künstlernachlässe Mannheim, Waldparkstr. 28A, 68163 Mannheim