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Edgar Schmandt

(1929–2019)





„Ich bin Schauspieler in dauernder Vorstellung und Zauberer in dauernder Täuschung.“

(aus: ICH, 1955)



Biografisches

Edgar Rudolf Max Schmandt 1929 als Sohn von Wilhelm und Frida Schmandt in Berlin geboren.

Seine Eltern sind einfache Leute, der Vater ist Schlosser und Werkmeister. Geschwister hat er keine.

Die Eltern unterstützen vorbehaltslos seine Begabung für das Geige spielen und für das Zeichnen und Malen.

Edgar Schmandt mit seiner Mutter und seinen beiden Großmüttern, ca. 1935



1943 beginnt er eine Ausbildung zum Retuscheur in der Graphischen Kunstanstalt Meisenbach, Berlin, und besucht ab 1944 die Meisterschule für Buchgewerbe und studiert bei dem Grafiker O. H. W. Hadank.



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1945 beginnt er eine Ausbildung als Baumaler. Schwankend, ob er nicht doch lieber Geiger werden soll, nimmt er ab 1946 Unterricht bei Fritz Görlach, dem Konzertmeister der Berliner Philharmoniker.



Letztendlich entscheidet sich Schmandt für die Bildende Kunst. Er studiert 1948–1951 an der Hochschule für Bildende Künste Berlin, u.a. bei Karl Hofer.

1950er-Jahre

In den 1950er Jahren ist Schmandt viel unterwegs, sucht den Kontakt zu anderen Künstlern und besucht u.a. Otto Dix, Erich Heckel und Hermann Hesse. 1953 unternimmt er eine Pilgerreise, die ihn durch Frankreich und die Schweiz bis nach Rom führt.

Seite aus Schmandts Pilgerbuch

1954 kommt er in die Rhein-Neckar-Region. In Ludwigshafen heiratet er im April desselben Jahres Anneliese Brunner und lebt ab Mai in Mannheim. 1961 wird diese Ehe geschieden.



Verhaftung

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Schriftsteller

Ende der 1950er-Jahre verlegt Schmandt im Eigenverlag eine kleine, schmale Publikation unter dem Titel ICH, illustriert mit kleinen Holzschnitten. In den Texten setzt er sich schonungslos mit sich als Person, aber auch der Gesellschaft auseinander. Einen Verleger findet er nicht.

Es folgen weitere Publikationen: MAN (1961), MAN, DU, ICH, ES (1964/65), „Der Krebs läuft rückwärts“ (1969) und „Hosen aus Glas“(1972).

Portugal

1959 fährt Schmandt mit dem Mannheimer Fotografen Robert Häusser gemeinsam nach Portugal: Während Häusser für einen Verlagsauftrag die Menschen fotografiert, zeichnet Edgar Schmandt ihe Köpfe und Gesichter auf der Straße.

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Die Arbeiten, die in den 1950er Jahren entstehen, spiegeln seine zutiefst verstörenden Erfahrungen der Berliner Jahre wider – wie Menschen mit Menschen umgehen und wie bedroht man sein kann in seiner innersten Existenz.

Diese Arbeiten stellt er in seiner ersten Einzelausstellung in der Galerie Senatore 1961 in Stuttgart aus.

Edgar Schmandt hat bis zum Ende seines Lebens viele Ausstellungen, aber nie einen Galeristen, der ihn vertritt. Er hält von dieser Art Geschäftsbetrieb wenig und verkauft seine Arbeiten privat.

1960er-Jahre



Einfluss Francis Bacon

Im Juni 1962 zeigt die Kunsthalle Mannheim zum ersten Mal außerhalb Englands Arbeiten des englischen Malers Francis Bacon. Die Ausstellung ist ein Politikum. Bacons Papstbilder sind schonungslos: Seine Päpste schreien, halten sich verkrampft an Armlehnen fest. Dunkle Streifen ziehen über die Bilder und mischen sich mit Rot, Violett und Magenta – den Kleiderfarben der Kirche.

Diese Ausstellung und die Malweise Bacons beeinflusst nicht nur Edgar Schmandt, sondern viele Künstler in der Region.



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Ein Kritiker in einem Radiobeitrag bezeichnet die Arbeiten in der Ausstellung als neofaschistisch. Von diesem Vorwurf zutiefst getroffen, malt Schmandt in den folgenden vier Jahren nur sehr wenig.



Werbegrafik

In den 1960er-Jahren entwirft Schmandt Prospekte und Plakate für die Region.

Die „Gesellschaft für neue Musik“ nutzt heute noch sein Plakat.



Kunst am Bau

Ab den 1960er-Jahren realisiert Edgar Schmandt viele Kunst am Bau-Projekte.

Eines der größten entsteht 1962, ein Holzrelief an den Flurwänden der Schillerschule in Mannheim-Neckarau. Es existiert noch heute.

Mitte der 1960er-Jahre gestaltet er eine ungewöhnliche Glasfront für das Treppenhaus im Amt für Vermögen und Bau in Mannheim. Bei der Renovierung, kurz vor seinem Tod 2019, entwirft er für die Glasfront noch neue Motive.



Atelier

1963 erhält er von der Stadt Mannheim das Atelier im 5. OG der Alten Sternwarte, das er bis zu seinem Tod nutzt.

1970er-Jahre

Edgar Schmandt nimmt sehr regen Anteil an aktuellen politischen, gesellschaftlichen sowie wissenschaftlichen Themen. Seine Bibliothek im Atelier spiegelt dieses Interesse wider. Wenn ihn ein Thema interessiert, beschäftigt er sich sehr intensiv damit. Und ist dann auch häufig Besucher in der Stadtbibliothek.

Psychologie und Genetik

Anfang der 1970er-Jahre entstehen Serien, die sich mit Begriffen u.a. aus der Genetik und Psychologie beschäftigen.

Schmandt hinterfragt in diesen Arbeiten nicht nur seine eigene Persönlichkeitsstruktur, sondern auch die der Menschen allgemein.



Die Serie „Phänotyp“ beschäftigt sich mit genetischen Erscheinungsbildern.



Die Serie „Double Bind“ beschäftigt sich mit dysfunktionalem Mustern der Kommunikation.



Die Serie „Schizothyme“ beschäftigt sich mit dem Übergang zwischen mentaler Gesundheit und Krankheit.



Villa Massimo und die Condottieri

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Jet Face

Zwischen 1975 und 1977 entsteht ein Zyklus aus 19 Arbeiten mit dem Titel „Jet Face“.

Schmandt recherchiert, wie immer, akribisch über Kampfjets als Kriegswaffe, Flugzeuge und Fluglärm. In den Jets, die auf den Leinwänden fliegen, erkannt man häufig Gesichter (Faces) - ein Hinweis auf die Menschen, die hinter diesen zerstörerischen Erfindungen stehen.

1980er-Jahre

Cité des Arts, Paris

Ein weiteres wichtiges Stipendium für Schmandt ist 1983/84 der Aufenhalt an der Cité des Arts in Paris. Eine der vielen Serien, die dort ensteht, beschäftigt sich mit dem Thema Suizid durch Ersticken mit Hilfe einer Plastiktüte. Auf den Betrachter wirken diese Bilder sehr verstörend, aber Selbsttötung ist für Schmandt ein Dauerthema - immer wieder stellt er in seinen Arbeiten seine eigene Existenz in Frage.

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Köpfe

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1990er-Jahre

MAN oder die Trägheit der Masse

Mit dem Zyklus „MAN oder die Trägheit der Masse“ greift Schmandt 1994 die scheinbare Beliebigkeit und Austauschbarkeit des Menschen in der Gesellschaft auf, sowie die vermeintlichen gesellschaftlichen Vorgaben für unser Handeln.

Auf großen Plastikplatten bewegen sich abstrahierte, menschliche Gestalten, einförmige Wesen. Die Platte ist mit Kunststoffharz beschichtet, die Schmandt mit Öl, Kreide und Farbspay bearbeitet.



Eingeritzte Sätze wiederholen sich mantraartig, was MAN muss, soll, denkt, meint, darf …

2000er-Jahre

„Und Gott sah dass es gut war“

Anfang 2001 nutzt Schmandt mehrere Schul-Landkarten als Malgrund, auf die er die weltweiten Kriege, Landnahmen und deren Opfer sowie Täter thematisiert. Er ahnt nicht, dass die Realität des 11. Septembers 2001 dieser Serie eine noch düstere Symbolik gibt, als sie ohnehin schon hat. Im Oktober 2001 präsentiert er diese Arbeiten in der Galerie Falzone, Mannheim.



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„Ich male nicht den Krieg“

Edgar Schmandt, 2001



Auch für diese Serie recherchiert er aufwendig, sammelt Material, etwa aus Zeitschriften der Bundeswehr, Fotos von Soldaten und entwirft Unmengen kleiner Skizzen.

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„Diese Landkarten sind ,bedrückende Zeichen für den Hochmut‘ der Menschen, die unaufhörlich, beinahe zwanghaft, die Grenzen ihrer existenziellen Möglichkeiten bis zur radikalen Selbstvernichtung erproben“. (A. Huber)

Köpfe für Prinzhorn

Mit dieser Serie, Anfang der 2000er-Jahre, greift Schmandt sein Thema „Köpfe“ erneut auf.

Er setzt sich darin mit dem Bestand der Sammlung Prinzhorn in Heidelberg auseinander: einer historischen Kunstsammlung von Menschen mit psychischen Ausnahme-Erfahrungen. Die Köpfe auf diesen Arbeiten konfrontieren den Betrachter, dass eine gesellschaftliche Einordnung in normal/unnormal bzw. gesund/krank nicht selbstverständlich ist.



Preise

Edgar Schmandt bekommt für seine künstlerische Arbeit im Laufe seines Lebens viele Preise.

2016 erhält er den Erich-Heckel-Preis des Künstlerbundes Baden-Württemberg für ein „künstlerisches Lebenswerk von hohem Rang“.

Im Juni 2019 erhält er den Willibald-Kramm-Preis der Stadt Heidelberg, den er nicht mehr entgegennehmen kann. Am 13. Juli 2019 stirbt Edgar Schmandt in Mannheim.

„Ich bin kein Maler der Farbe, mit kultivierter ‚peinture‘ kann ich nichts anfangen. Farbe dient mir als Seziermittel ins Innere von Unmöglichkeiten.

Es gehört ständiger Mut dazu, sich seiner Gefährdung immer wieder zu stellen, sie zu gestalten und zu bannen. Es ist das, was mich durchströmt.“

Edgar Schmandt, 10.1.2009







Impressum

Edgar Schmandt (1929–2019) ist ein Projekt der Künstlernachlässe Mannheim.

Herausgeber und Copyright: Künstlernachlässe Mannheim, 2024

Texte: Dr. Susanne Kaeppele, Silvia Köhler

Redaktion: Sophia Denk, Silvia Köhler

Sprecher: Heiko Grauel

Wir danken Norbert Kaiser, Artmetropol TV für die Überlassung der Filmausschnitte aus „Im Homosapiensgelände“, 2009 und weiterem Filmmaterial.

Umsetzung: Leonie Rapp, rapp.design

Realisiert mit PAGEFLOW

Film- und Bildmaterial: Künstlernachlässe Mannheim, H.- J. Schröder, Olaf Lahr, MARCHIVUM Mannheim NL Schmandt und aus Privatbesitz. Fotos Robert Häuser: © Robert Häusser – Robert-Häusser-Archiv/Curt-Engelhorn-Stiftung, Mannheim.





Künstlernachlässe Mannheim, Waldparkstr. 28A, 68163 Mannheim gesetzlich vertreten durch Silvia Köhler

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