Landschaftsmalerei entwickelt sich erst spät als eigenständige Gattung. Zunächst dient Landschaft nur als Hintergrund für religiöse oder historische Szenen, ab dem 16. Jahrhundert wird sie jedoch zunehmend eigenständig. Über die Jahrhunderte entstehen ganz unterschiedliche Zugänge zur Landschaftsmalerei.
Brüder von Limburg, Très Riches Heures du duc de Berry, Monatsbild August, ca. 1412/1416, Buchmalerei, 22,5 × 13,6 cm, Musée Condé, Chantilly
Leonardo da Vinci, Paisagem do Arno (Arno-Landschaft), 1473, 19 x 28, 5 cm, Galleria degli Uffizi, Florenz
Albrecht Altdorfer, Donaulandschaft mit Schloss Wörth, um 1522, 30,5 x 22,2 cm, Alte Pinakothek München
Jan van Goyen, Landschaft mit zwei Eichbäumen, 1641, Öl auf Leinwand, 88,5 cm x 110,5 cm, Rijksmuseum Amsterdam
Caspar David Friedrich, Das Kreuz im Gebirge (Tetschener Altar), 1807/08, Öl auf Leinwand, geschnitzter und vergoldeter Bilderrahmen auf Sockel, 115 x 110 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Paul Cezanne, The Gulf of Marseille Seen from L'Estaque, ca. 1885, Öl auf Leinwand, Metropolitan Museum of Art, New York City
Camille Pissarro, Haystacks, Morning, Eragny, 1899, Öl auf Leinwand, Metropolitan Museum of Art, New York City
Landschaften können vieles ausdrücken: Freiheit und Naturverbundenheit; sie thematisieren Mythen und Spiritualität, zeigen soziale Wirklichkeit, erkunden Licht und Atmosphäre oder spiegeln innere Zustände wieder. Dabei wird deutlich, dass sich in der Landschaftsmalerei immer auch zeigt, wie sich unser Verhältnis zur Umwelt verändert hat.
Heute reichen die Darstellungen von naturalistisch bis stark abstrakt und zunehmend werden auch ökologische Fragen reflektiert.
Diese Vielfalt bringen wir euch hier anhand ausgewählter Landschaften Mannheimer Künstler:innen aus dem Bestand der KNMA näher.
Landschaft ist für viele Künstler:innen eine Inspirationsquelle, vor allem auf Reisen.
Unterwegssein ermöglicht es ihnen, neue Formen, Farben und Stimmungen zu beobachten und direkt künstlerisch umzusetzen.
Will Sohl (1906–1969) reist regelmäßig, oft nur wenige Tage, aber immer mit dem Ziel, Eindrücke der Natur festzuhalten.
Auf Sylt entstehen Aquarelle wie diese Wattlandschaft, in der Dünen, Himmel und Meer abstrahiert dargestellt werden.
Die Komposition arbeitet mit kontrastierenden Farben und sorgfältigen Details, wie Priele, Steine und Gräser, im Hintergrund sieht man die Dünen der Insel.
Will Sohl, Wattlandschaft / Heide überwuchert Dünen, 1949, Aquarell auf Papier, 61 x 49.5 cm
Norbert Nüssle (1932–2012) liebte Frankreich und verbringt viele Sommer in der Normandie oder der Bretagne.
Wenn er unterwegs Motive sieht, die ihn interessieren, hält er sofort seine Eindrücke fest. Oft mit der Collage-Technik, für die er heute noch bekannt ist.
Norbert Nüssle, Der kleine Wald, 1979, Collage und Zeichnung auf Papier, 21 x 20 cm
Das Material, das Nüssle für diese Arbeit verwendet, vermittelt das direkte Erlebnis vor Ort. Man spürt beim Betrachten die Strukturen des Waldes bzw. des Waldbodens.
Auf der Fähre zur griechischen Insel Santorin hält Franz Schömbs (1909–1976) mit Buntstift und Kugelschreiber die Wellen und Bewegungen des Meeres auf einem Notizblock fest. Dabei interessiert ihn nicht die Landschaft selbst, sondern der flüchtige Moment.
Franz Schömbs, o. T. (Hellas 6008081642), 1960, Kugeschreiber auf Papier, 21 x 30 cm
Die Zeichnungen, die auf der Reise entstehen, vermitteln sehr anschaulich, wie Künstler:innen Landschaft als dynamischen Moment erleben können.
Eigentlich ist Elisabeth Bieneck-Roos (1925–2017) als Industriemalerin bekannt und findet auf Baustellen und in Fabriken ihre Themen.
Aber auch auf Reisen hat sie Inspiration gefunden: wie z. B. auf Lanzarote, wo sie die schwarze Vulkanlandschaft fasziniert hat.
Die Zeichnungen, die dort entstehen, wirken sehr dynamisch und expressiv. Die Landschaft scheint in Bewegung zu sein und wirkt fast wie eine fremde, außerirdische Welt.
Elisabeth Bieneck-Roos, Lanzarote, 1972, Tusche, Aquarell und Buntstift auf Papier, 62 x 44 cm
Man merkt, es geht der Künstlerin nicht um eine naturgetreue Wiedergabe, sondern um das Erleben einer Landschaft, die durch ihre Energie und ihre Formen beeindruckt.
Ebenfalls inspiriert von Lanzarote zeigt Peter Schnatz in Vulkanlandschaft geborstene Lavaflächen, rote Krater und schwarze Oberflächen.
Der Künstler stellt die Landschaft der Vulkaninsel zwar nicht naturalistisch dar, bezieht sich aber trotzdem auf den realen Ort Lanzarote, indem er Materialien wie Sand aus dem thematisierten Gebiet in das Werk integriert.
Peter Schnatz, Vulkanlandschaft, 1988, Mischtechnik auf Leinwand, 141.5 x 122 cm
Mit seinen Landschaften möchte der Künstler nicht abbilden oder die Schönheit der Natur aufzeigen, sondern menschliches Verhalten anprangern.
Einige Künstler:innen nutzen Landschaft, um den menschlichen Einfluss auf die Natur und ökologisches Bewusstsein zu reflektieren oder Umweltzerstörung sichtbar zu machen. Diese Arbeiten sind als kritische Stellungnahme zu verstehen und klagen an.
Smog zeigt im Hintergrund die Silhouette eines Industriegebiets, im Vordergrund einen kahlen Baum auf einem Hügel: eine trostlose, bedrückende Szenerie macht sich auf der Leinwand breit.
Ute Petry (1927–2009) lebte in Ludwigshafen am Rhein und hat unter der dortigen chemischen Industrie gesundheitlich gelitten. Die Umweltverschmutzung war für sie ganz konkret in ihrem Zuhause spürbar und das thematisiert sie hier.
Ute Petry, Smog, 1984, Mischtechnik auf Leinwand, 110 x 100 cm
So geht es in dieser Arbeit auch um das Gefühl von Ohnmacht gegenüber der Industrie und den Entscheidungsträgern, gegen die Petry nicht nur in ihrer Kunst aktiv vorgegangen ist.
Edgar Schmandt (1929–2019) lässt einzig durch den Titel seiner Arbeit Wald (50 % Schwefeldioxid) auf deren Motiv schließen. Die grüne Farbe, die er verwendet, wirkt eher giftig als natürlich. Die Oberfläche der Leinwand ist aufgeraut, teilweise mit Sand überstreut und eingeritzt.
Auf der Leinwand sind chemische Zeichen zu lesen: „SO₂“ und „NO“. Sie stehen für Schwefeldioxid und Stickstoffmonoxid.
Diese Stoffe verursachen u. a. sauren Regen und tragen zur Zerstörung von Ökosystemen bei. Sie entstehen durch die Verbrennung von schwefelhaltigen fossilen Brennstoffen.
Edgar Schmandt, Wald (50 % Schwefeldioxid), 2000, Mischtechnik auf Leinwand, 100 x 100 cm
Schmandt übt mit dieser Arbeit sehr deutliche Kritik am menschlichen Umgang mit der Natur. Sein „Wald“ besteht buchstäblich zu fünfzig Prozent aus Schadstoffen und ist damit schon halb zerstört.
Andere Künstler:innen verwandeln Landschaft in einen Raum für Erinnerungen, persönliche Gefühle und Reflexionen.
Walter Stallwitz (1929–2022) schafft in diesem Werk einen solchen Gefühlsraum. Durch weiche Farbübergänge und seinen ganz individuellen Farbauftrag ruft er Stimmungen und Emotionen hervor. Das Motiv erzeugt beim Betrachten Assoziationen an einen Spaziergang im Herbstwald.
Walter Stallwitz, Erinnerung an W. Wernz, 2009, Acryl auf Leinwand, 80 x 110 cm
Der Titel ist eine Hommage an seinen Freund, den Mannheimer Maler Willy Wernz, und thematisiert Verlust, Freundschaft und Vergänglichkeit. Die Natur wird zum Sinnbild des Weiterlebens im Zyklus von Werden und Vergehen.
Illana Shenhav (1931–1986) reduziert in ihrer Zeichnung eine Berglandschaft auf wenige farbige Linien. Sie verdichtet ihre Wahrnehmung zu einem inneren Bild.
Braun- und Erdtöne erzeugen Wärme, Akzente in Blau und Grün deuten Wasser und Vegetation an.
Ilana Shenhav, ohne Titel, ohne Jahr, Pastell auf Papier, 71 x 50 cm
Die Landschaft bleibt erkennbar, doch sie vermittelt vor allem die innere Erfahrung von Weite, Ruhe und Bewegung.
Die Darstellung von Landschaft in der Kunst ist häufig eng mit spirituellen Fragen verknüpft.
Natur erscheint dabei nicht nur als äußerer Raum, sondern als metaphysischer Ort: ein Übergang zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem.
Bäume, Berge, das Licht oder weite Horizonte werden zu Symbolen des Lebens, des Wachstums und der Vergänglichkeit.
Eigentlich arbeitet Trude Stolp-Seitz (1913–2004) seit den späten 1960er-Jahren überwiegend informell und nur noch selten gegenständlich. In dieser Arbeit verbindet sie beides: einen atmosphärischen, nur angedeuteten Blick auf eine Baumgruppe und im Vordergrund einen kraftvollen, einzelnen Baum.
Trude Stolp-Seitz, ohne Titel, Acryl auf Leinwand, 110 x 110 cm
Stolp-Seitz war sehr gläubig, und das spürt man in diesem Motiv. Der Baum wird in dieser Arbeit nicht nur als Naturform verstanden, sondern als Symbol: für Leben und Wachstum, für Beständigkeit und für die Verbindung zwischen Himmel und Erde, Geist und Materie.
Spätestens seit dem Impressionismus, der sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte, stehen für einige Künstler:innen die Wirkung von Licht, Farbe und Jahreszeit im Mittelpunkt der Landschaftsmalerei.
Künstler:innen lösen sich von der malerischen Abbildungsfunktion.
Es geht ihnen um die stimmungsvolle Darstellung von flüchtigen Momentaufnahmen einer Szenerie – häufig einer Landschaft.
Paul Löffler (1920–1995) ist stark von der klassischen Moderne und dem Impressionismus beeinflusst. Auch er thematisiert Licht, Tages- und Jahreszeiten in dieser Winterlandschaft.
Vor allem interessiert ihn, wie das Licht auf den Schnee trifft, wie sich Reflexe und Schattierungen verändern.
Paul Löffler, Wald, ohne Jahr, Öl auf Leinwand, 80 x 62 cm
Die Formen lösen sich in dieser Arbeit in ein großes Spektrum an Farbtönen auf. Trotz der Bewegtheit gelingt es Löffler, die ruhige Stimmung eines Winterspaziergangs im Wald einzufangen.
Diese Auswahl an Werken aus dem Bestand der KNMA vermittelt, wie unterschiedlich Künstler:innen Landschaft wahrnehmen: als Moment der Erinnerung, Ausdruck von Licht und Farbe, unmittelbare Erfahrung auf Reisen oder als kritisches Statement.
Landschaft wird so zu einem Spiegel menschlicher Gefühle, gesellschaftlicher Realitäten und ökologischer Fragen.
Impressum
Landschaft in der Kunst ist ein Projekt der Künstlernachlässe Mannheim
Herausgeber und Copyright: Künstlernachlässe Mannheim, 2025
Texte: Sophia Denk, Silvia Köhler
Redaktion: Sophia Denk, Silvia Köhler
Umsetzung: Sophia Denk
Realisiert mit PAGEFLOW
Bildmaterial: Künstlernachlässe Mannheim, H.-J. Schröder, Musée Condé, Gallergie degli Uffizi, Metropolitan Museum of Art, Alte Pinakothek München, Rijksmuseum Amsterdam, Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Künstlernachlässe Mannheim, Waldparkstr. 28A, 68163 Mannheim gesetzlich vertreten durch Silvia Köhler
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