Eine Malerei der Leichtigkeit, die sich nicht aufschwingt in vermeintlich höhere Sphären, sondern aus alltäglichen Ausschnitten ohne Sensationen heraus gestaltet, eine Welt formt, die nichts weiter sein will als das, wofür sie angetreten [ist]: Malerei.
Bernhard Holeczek
Ute Petry wird am 17. Februar 1927 in Ludwigshafen am Rhein geboren. Schon früh zeigt sich ihr künstlerisches Talent.
Nach dem Zweiten Weltkrieg entscheidet sie sich, den Weg der Malerei zu gehen. Als „Meisterin der konzentrierten Form und Farbe“ sichert sie sich im Laufe ihrer Karriere einen festen Platz im kulturellen Leben der Rhein-Neckar Region.
Petry wächst in Ludwigshafen als zweite Tochter eines Kaufmanns in gutbürgerlichen Verhältnissen auf.
Ihre Jugend ist geprägt durch die Zeit des Nationalsozialismus. Über ihre persönlichen Erlebnisse aus dieser Zeit spricht sie nie.
Nach dem frühen Tod des Vaters 1950 bleibt die Mutter unverheiratet und bestreitet den Unterhalt der Familie durch die Vermietung der unbewohnten Zimmer im eigenen Wohnhaus.
Obwohl zu dieser Zeit keine Selbstverständlichkeit, unterstützt die Mutter Ute Petrys Wunsch, Künstlerin zu werden.
Zum Ende des Zweiten Weltkrieges ist Petry achtzehn Jahre alt. In dieser Zeit erkrankte sie an einer Knochentuberkulose.
Ihr gesamtes Leben kämpft sie immer wieder mit den Auswirkungen dieser Infektion und anderen unzulänglich auskurierten bzw. behandelten Krankheiten, die sie körperlich stark einschränken.
Die chronische Krankheit Petrys ist prägend für Lebensweg und -werk der Malerin.
Die Kunst dient ihr zur kreativen Bewältigung des Krankseins und ihrer damit verbundenen Erfahrungen.
„Es war nie langweilig, jeder Tag in der Akademie war ein Erlebnis“
Ute Petry
1947 beginnt Petry eine Ausbildung zur Illustratorin an der Meisterschule für Kunsthandwerk in Offenbach. Nach einem Jahr wechselt sie ihren Studienort nach Mannheim an die Freie Akademie, wo sie von 1948 bis 1955 bei Carl Trummer und Paul Berger-Bergner Bildende Kunst studiert.
Ab 1956 macht sie sich im Alter von 29 Jahren selbstständig. Sie verschreibt sich ganz der Kunst, heiratet nie und hat keine Kinder.
Dem Maler Paul Berger-Bergner verdankt eine ganze Generation von KünstlerInnen in der Rhein-Neckar-Region wesentliche Impulse bei der Entwicklung ihrer eigenen Bildsprache, so auch Ute Petry.
Berger-Bergner, von seinen SchülerInnen Pebe genannt, knüpft unter anderem an die formale und koloristische Erneuerung des Expressionismus an. Dabei nutzt er die Farbe nicht nur als Ausdrucksträger, sondern auch als raum- und formschaffendes Medium.
Petry lernt nicht nur das Handwerkliche von ihm, er ist auch eine große Inspirationsquelle für viele ihrer Werke. Aber auch sie ist ihm eine vertraute Ratgeberin, wenn es um seine Kunst geht.
Während ihrer Akademiezeit werden sie ein Paar und führen bis zum Lebensende von Berger-Bergner eine enge Beziehung.
Ich komme erst so spät […] dazu, Ihnen mein vollstes Lob auszusprechen für die hohe Befähigung der drei Schüler: Frau Ute Petry, Herrn Rudolf Kortokraks und Eberhard Doser, die unter Ihrer Leitung weit übertreffen, was aus deutschen Kunstschulen zu mir nach Salzburg kommt.
Oskar Kokoschka
Die Tatsache, dass sie ihre Bilder aus der Farbe heraus konzipiert, wurzelt in ihrer Zeit an der Akademie und in der Verbindung zu ihrem Lehrer und Lebenspartner.
Alle Elemente, die sie Berger-Bergner entlehnt, entwickelt sie im Laufe ihrer Karriere weiter und macht sie sich zu eigen. Sie beginnt ihren eigenen Stil zu entfalten und stärker zu abstrahieren.
Auch der Besuch der „Schule des Sehens“ bei Oskar Kokoschka in Salzburg 1954 und 1957 hilft Ute Petry enorm ihren eigenen künstlerischen Weg zu finden und ihre persönliche Bildsprache weiterzuentwickeln. Ihre Palette hellt sich nach den Aufenthalten merklich auf und ihre Farben gewinnen an Intesität.
Bereits 1955, kurz nach Abschluss ihres Studiums, kann Petry ihre Werke in ersten Ausstellungen präsentieren. Ihre Kunst wird in der Rhein-Neckar-Region geschätzt und sie beteiligt sich an zahlreichen Gruppenausstellungen.
Ein Raum für sich allein […], in den man sich zurückziehen, die Gedanken laufen lassen kann und dann malen.
Ute Petry
Im Gegensatz zu vielen anderen Künstlerinnen der 1950er-Jahre in der Region hat Ute Petry im Keller ihres Elternhauses ein Atelier. Sie empfiehlt in Interviews immer wieder jeder Frau einen solchen Raum als Rückzugsort.
In ihrem kleinen Atelier sammelt sie sämtliche Gegenstände, die sie zu Motiven ihrer Bilder macht: Muscheln, Glasflaschen, Keramikgefäße…
Ich habe immer alles aus der Farbe heraus aufgebaut.
Ute Petry
Ute Petry verwendet Acryl- und Ölfarben, die sie oft mit Pastellkreiden und Farbstiften ergänzt.
Ihre spezifische Farbigkeit kommt ohne grelle Kontraste aus und erst im sich verändernden Tageslicht entfalten ihre Gemälde die volle Wirkung.
Petrys Farbauftrag ist eher dünn, flächig und schichtartig. Im Laufe ihrer kontinuierlichen Entwicklung gelangt die Farbe in den Fokus der Künstlerin. Sie konturiert nicht mehr, sondern konzipiert ihre Kompositionen direkt aus der Farbe heraus.
Die Zahl der Motive Petrys fällt äußerst schmal aus. Ihre Arbeiten kreisen stets um die Themen Mensch und Umwelt.
Ihre Bilder zeigen stille, teilweise melancholisch wirkende Menschen und einfache Dingen des täglichen Lebens.
Ihre Themen kommen aus vertrauten Situationen des Alltags und ihrer direkten Umgebung. Sie entfalten sich in kargen, spärlich möblierten Innenräumen.
Ihre Vorliebe gilt eindeutig dem Stillleben und stilllebenähnlichen Interieurs, in die sie teilweise Figuren einfügt. Ausschließlich in ihrem Frühwerk spielen auch Porträts und Landschaften eine Rolle.
Stillleben bezeichnet die Darstellung unbelebter bzw. regloser Gegenstände (Blumen, Früchte, tote Tiere, Gläser, Instrumente etc.).
Die Auswahl und Gruppierung der Motive richten sich nach inhaltlichen (manchmal symbolischen) und ästhetischen Aspekten. Anfang des 17. Jahrhunderts entwickeln sich diese Darstellungen zu einer eigenständigen Gattung der Malerei.
Petry zeigt vornehmlich einige wenige Gegenstände auf eckigen oder runden Tischplatten vor kahlen Wänden.
Dabei kann es sich beispielsweise um eine Flasche, etwas Obst, eine Blume in einem Glas, eine Feder oder ein Blatt Papier handeln.
Auch Stühle oder Staffeleien finden vermehrt Eingang in ihre Kompositionen.
Malt sie Menschen, handelt es sich in der Regel um Projektionen der Künstlerin, die sie vereinzelt in leeren Räumen darstellt.
Das Werk “Stillleben” von 1966 zeigt, welche Rolle Reduktion im Werk Petrys spielt. Hier konzentriert sie sich auf das Wesentliche und reduziert die Anzahl der Objekte sowie die Farbpalette.
Diese minimalistische Herangehensweise verleiht dem Werk eine meditative Qualität und lädt den Betrachter ein, die feinen Nuancen und Details der wenigen dargestellten Gegenstände zu erkunden.
Die zunehmende Reduzierung und Abstrahierung in Ute Petrys Arbeiten wird besonders am Motiv Tisch deutlich, dem ihre große Vorliebe gilt.
Ute Petry besitzt die Fähigkeit, Alltagsgegenstände in eine geheimnisvolle Szenerie zu verwandeln.
Die Darstellung der Handschuhe, die scheinbar achtlos hingelegt wurden, erweckt eine Spannung und lässt Raum für Interpretationen.
Die feine Ausarbeitung und die Platzierung der Objekte im Raum verstärken das Gefühl von Geheimnis und Unsicherheit.
Neben Rätselhaftigkeit schafft Petry es immer wieder, emotionale Zustände und psychologische Tiefen durch ihre Kunst auszudrücken.
In “Abgewandt” von 1979 thematisiert sie Isolation und Abgeschiedenheit. Die dargestellte Figur, die sich vom Betrachter abwendet, vermittelt ein Gefühl von Einsamkeit und Rückzug. Die spärlich eingerichtete Umgebung und die Verwendung von gedämpften Farben unterstützen diese Stimmung.
In den späten 1980er-Jahren zieht sich Ute Petry zunehmend aus dem öffentlichen Kunstbetrieb zurück. Schmerzen in den Händen und Handgelenken machen es ihr unmöglich, einen Pinsel zu halten.
Sie bleibt jedoch in der regionalen Kunstszene aktiv, besucht Ausstellungen und trifft Künstlerfreunde. Sie hinterlässt ein umfangreiches Werkverzeichnis, das ihre künstlerische Entwicklung dokumentiert.
Impressum
Ute Petry (1927-2009) - Meisterin der Farbe ist ein Projekt der Künstlernachlässe Mannheim
Herausgeber und Copyright: Künstlernachlässe Mannheim, 2024
Texte: Sophia Denk
Redaktion: Sophia Denk, Silvia Köhler
Umsetzung: Sophia Denk
Realisiert mit PAGEFLOW
Bildmaterial: Künstlernachlässe Mannheim, Kathrin Schwab, Frank Schröder, Manfred Rinderspacher und aus Privatbesitz
Künstlernachlässe Mannheim, Waldparkstr. 28A, 68163 Mannheim gesetzlich vertreten durch Silvia Köhler
Telefon: 0151 287 07 629
E-Mail: info@kuenstlernachlaesse-mannheim.de
www.kuenstlernachlaesse-mannheim.de
Verantwortlich im Sinne des Rundfunkstaatsvertrags: Silvia Köhler, Künstlernachlässe Mannheim, Waldparkstr. 28A, 68163 Mannheim